Die Welt um uns verändert sich. Verändern wir uns mit?

Ein Jagdaufseher-Seminar beginnt, neun Teilnehmer sind zugegen und, wie die Referenten in der folgenden Woche feststellen, somit aufaddierte Jagdjahre deutlich im dreistelligen Bereich. Nieder- wie Hochwildreviere sind ebenso vertreten, wie Feld- und Waldjäger. Nach der obligatorischen Vorstellungsrunde wird zum Einstieg immer ein Test geschrieben. Dieser ist in der Regel deckungsgleich mit dem Fragebogen „Jagdrecht“, den der letzte Jungjägerkurs in seiner Prüfung bewältigen musste. Keinesfalls (!) sollen die Probanden hier vorgeführt werden, aber dieser Test „ist nun mal eine der Hürden, die auch unsere Jungjägerinnen und Jungjäger kürzlich stellen mussten. Hier ist ein wertfreier Vergleich zu den praktizierenden Kursteilnehmer statthaft“, wie es der Lehrgangsleiter des Jagdaufseherkurses formulierte. Auch dieser Lehrgang liegt bezüglich mit seinen Noten dann auf dem Niveau, das nahezu alle Jagdaufsehrkurse vorher abgebildet haben: Mehrfach Note Vier und Fünf, eine Zwei oder gar eine Eins kommen nicht vor. Tenor: „Längst vergessen“, Änderungen waren mir nicht bekannt“, "wer hat sich denn solche praxisfernen Fragen ausgedacht", ... 

Bilden wir uns ausreichend fort? Sind wir immer noch auf der Höhe der Zeit? Beispielhaft ist da der Blick ins Feldrevier und auf die dort wirtschaftenden Agronomen. Was hat sich (nur) in den letzten zwei-drei Jahrzehnten alles um mich als Feldjäger herum verändert? Nur einige wenige Beispiele: Veränderte Saatgut-Mischungen (die EU lässt grüßen) bei Zwischenfrüchten, längst andere (Welt-)Märkte und (Welt-)Marktpreise, mehr große Lohnunternehmen, Höfe-Sterben, vermehrt Bio-Landwirtschaft hüben, „wachse oder weiche“ drüben, die rasante Zunahme der Maisanbau-Fläche – und eine galoppierende Veränderung im Bereich landwirtschaftlicher Hochleistungstechnik. 

Weiß ich genug darüber, um mich als Jäger innerhalb eines Feldreviers mit den Jagdgenossen/Bauern überhaupt noch unterhalten zu können? 


Ein kleiner Ausschnitt eines Kürbisfeldes irgendwo im Nordosten Niedersachsens.
Wie denken Hase und Huhn darüber? Und: Ich liebe Kürbis-Suppe! Was nun/tun?

Szenenwechsel: Was wissen Waldjäger konkret um die gegenwärtige Situation der Forstpartie?

Über die aktuelle Borkenkäfer-Kalamität, von Anbauversuchen mit Ess-Kastanien, über Frühjahrstrockenheiten und längst leere Wassergräben. Spricht man derzeit mit FörsterInnen, verstehen viele von uns Jägerinnen und Jägern erst jetzt nach und nach, warum in den letzten Monaten geradezu ein Wettlauf der Försterinnen und Förster, z.B. gegen die Borkenkäfer, stattgefunden hat – und immer noch stattfindet. Sie hatten lediglich häufigen Harvester-Einsatz beobachtet und sich manchen Morgen darüber geärgert, dass die großen Laster der Holzabfuhr-Unternehmen (teilweise im Morgengrauen) ihnen scheinbar den Frühansitz verdarben. Die Dringlichkeit, mit der die eingeschlagenen Fichtenstämme aus dem Wald geholt werden mussten, erschloß sich ihnen bis dahin auch nicht. Zudem hatten sie keinerlei Vorstellung über den (mindestens regionalen) Verfall der Holzpreise. 


Borkenkäfer greifen Fichten an, eine ganze Fraßgesellschaft befällt Eichen,
Douglasien vertrocknen, Kiefern "aufgefressen" ...

Ein weiterer Punkt: In Revier tauch(t)en schon mehrfach große Holzhacker auf. Diese Maschinen zerkleinerten vor Ort nicht nur das Holz, sondern sorgten dabei auch für reichlich Lärm. Hintergrund: Mancherorts setzt man nun vermehrt auf die Holzschnitzel, da diese von Holz-Pellet-Herstellern sowie von Gartenbaubetrieben nachgefragt werden. 

Problemlos kann sich auch im Bereich Waldbau jede(r) Interessierte fortbilden, Dossiers lesen oder gelegentlich aktuelle Fachbeiträge lesen. Ich nutze dafür unter anderem gerne die Seite „Waldwissen – Informationen aus der Forstpraxis“ (https://www.waldwissen.net).

Zehn Euro zahle ich in diesem Moment gerne freiwillig in das berühmte Phrasenschwein: „Die Welt um uns verändert sich ständig!“ Verändern wir uns mit? Selbst wenn wir auf die uns lieb gewordene Tradition(en) und Kontinuität setzen: Abkoppeln von den Veränderungen können wir uns nicht. Möglicherweise wird uns in Feld- und Waldrevieren – was wir nicht hoffen wollen – ein Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest vor diverse Neuregelungen / Anordnungen / Anforderungen stellen – ob wir wollen oder nicht. Auch unabhängig vom zuletzt genannten Szenario, ist es meines Erachten mindestens unsere Aufgabe, unser Umfeld und deren Zwänge zu kennen! 

Muss ich das alles wissen? 

Ich meine: Je mehr, je besser, bilden wir doch mit Agronomen und Waldbesitzern eine Einheit auf gleicher Grundfläche, jeder mit seinen Zielen und Wünschen. Immer häufiger kollidieren diese – umso wichtiger ist es daher, sich zu informieren und auf dem neuesten Stand zu bleiben. Schon deshalb werde ich auch die kleine land- und forstwirtschaftliche Gewerbeschau besuchen, die in unserem Landkreis stattfindet.

Mein Fazit: Ich „muss“ sicherlich nicht „alles“ wissen, aber über je mehr Informationen ich verfüge, umso besser kann ich meine Jagd im jeweiligen Umfeld verorten – besser noch: entsprechend ausrichten. Und so war der Aufruf einer Forstfach-Seite im Internet oder der o.g. Besuch der Gewerbeschau hinsichtlich meiner Jagdpraxis schon häufig weitaus zielführender, als die Lektüre so mancher Jagdzeitschrift …

Religionskriege um die Hunde

Der Herbst steckt insbesondere beim Schalenwild voller Wandlungen. Gleich mehrere Brunften beginnen oder enden, das Wild ordnet seine Verbände neu. Hier und da wechseln schon Rudel in die Wintereinstände oder ziehen Hirsche endgültig aus den Brunftgebieten wieder fort. Ganz „nebenbei“ ist unser Jagdkalender prall gefüllt – alles Schalenwild hat Jagdzeit. Ausfluss dieser jagdlichen Fülle ist für mich mein erster Drückjagd-Termin des Jahres. Mein Bayerischer Gebirgsschweisshund und ich (Reihenfolge beachten, stand auch so verschmitzt in der Einladung) helfen bei einem Landesförster aus. 

Viele Gedanken haben sich der Mann und die Leitung des Forstamtes im Vorfeld der Jagd über die eingesetzten Vierbeiner gemacht, die während und danach tätig werden sollen. Ihr Credo: „Der Einsatz von Stöberhunden bei den Drückjagden, sowohl als geführte als auch vom Stand geschnallte Hunde, ist ein sehr wichtiger Bestandteil der Jagdstrategie und -gestaltung. Durchgehenden Hundeführern, die unter Verzicht auf eigene Chancen zur Erlegung von Wild der Jagdgemeinschaft und dem gemeinschaftlichen Erfolg während einer Drückjagd dienen, kommt eine besonders hohe Wertschätzung zu.“

Dazu addieren sich – gelegentlich auch traurig-tragische – Erfahrungen aus den letzten Jahren: Schlecht oder nahezu nicht gekennzeichnete Hunde, waidlaute Vierbeiner, solche, die grundsätzlich nach ca. 15 – 20 Minuten das zu bejagende Revier verlassen hatten, im Zuge der Jagd irgendwo weit abseits unterwegs waren – und stets kilometerweit entfernt abends wieder eingesammelt werden mussten.

Mein Hund ist der Beste

Hier hielten Forstamt und die Revierförster in den letzten Jahren eine strenge Auslese. Die Folgen waren mannigfaltig und gelegentlich nicht vorhersehbar! Meuteführerin X nahm zähneknirschend hin, dass sie von ihren drei Hunden einen ganz „speziellen Vertreter“ zukünftig nicht mehr mitbringen durfte. Hundeführer Y („Was bilden Sie sich ein, ich habe hier schon unter ihrem Vorgänger gejagt“) nahm die Ablehnung eines seiner Jagdhunde auch sehr persönlich. Erst eine zweite, sehr direkte Ansprache führte dazu, dass auch er einen seiner vierläufigen (Nicht-)Jagdhelfer in Zukunft daheim belässt. 

Kurz: Es gehört auch eine Menge Mut dazu, solche Ansprachen zu tätigen – und sie dann, auch langjährigen Helfern gegenüber, durchzusetzen! Mehr noch: Wer untaugliche Hunde aussortiert, trägt meines Erachtens nicht nur zum Jagderfolg bei, sondern – und dies ist weitaus wichtiger – zum Tierschutz (der Waidgerechtigkeit). 

Dass wir alle eng mit unseren Hunde verbunden sind und deren Arbeit schätzen,
ist doch selbstverständlich. Mit jedem Jagderfolg wird diese Wertschätzung größer.

Foto: Jürgen Hollweg 

Besonders traurig waren für den ein oder anderen Revierbeamten aber der Umstand, dass gelegentlich langjährige Freundschaften zerbrachen, da die Hundeführer die Ablehnung ihrer Vierbeiner gar nicht wegstecken konnten. Aber dass diverse Rüdemänner Kritik an ihren Hunden nicht verdauen, überrascht nicht. Zu viele empfinden dies gleich als kompletten Gesichtsverlust. Wer in der Vergangenheit die Religionskriege um Rassen, Eignungen oder einzelne Vierbeiner mit anhören musste, ahnte vielleicht schon, wie Rüdemann XYZ auf das neue Regelwerk reagieren würde. Dass er allerdings ca. 15jähriges  gemeinsames Jagen mit dem Zuschlagen der Autotür und sofortiger Abreise beendete, erschütterte dann nicht nur den Förster. 

Verdreckte Weste schon zur Saisonbeginn

Und selbst wenn der Vierbeiner gut geeignet ist: Was nützt es, wenn sich Rüdemann ABC über 2 -3 Jahre nicht in der Lage sah, seinen (hervorragenden!) Hund hinreichend kenntlich zu machen? Auch er nimmt inzwischen nicht mehr an den Jagden teil, in deren Vorfeld seit vergangenem Jahr alle HundeführerInnen ein Merkblatt zugesandt bekommen. Dort finden sich dann auch Sätze wie „Das Tragen einer Hundeschutzweste für Stöberhunde ist Voraussetzung für die Teilnahme an der Jagd.“

Vom Stand geschnallt, versah dieser Vierbeiner – dabei immer wieder Bezug zum Hundeführer nehmend –
erfolgreich seine Arbeit. Die Weste gab Hund, Rüdemann und den Standnachbarn mehr Sicherheit!

Foto: Björn Friedrich

Der schlechten Erfahrungen der letzten Jahre eingedenk, endet dann das Merkblatt mit folgender Formulierung: „Der Schusswaffengebrauch durch Hundeführer im Treiben erfolgt nur im absoluten Notfall an krankem oder an wehrhaftem Wild.“
Während dieser Drückjagd habe ich auf meinem Stand noch einmal kurz das Merkblatt überflogen. Noch während der Jagd reifte der Entschluss, dass auch ich so ein Merkblatt für meine Hundeleute anfertigen werden. Weite Teile der Formulierungen werden ich eins zu eins übernehmen!

Von Borkenkäfern, Reitersleut' und Geocachern

Der Frühling ließ und lässt sich auch in unserem Waldrevier längst nicht mehr nicht verleugnen: Bereits im April verzückte uns die soge­nannte „Kirschbaum-Allee“. Dort hatte vor Jahren ein um Waldästhetik bemüh­ter Forstmann diverse Kirschen entlang ei­nes breiten Waldwegs pflanzen lassen. Deren Blüte führte dazu, dass wir zum Übergang der Monate April/Mai dort „angesessen“ haben, bewaffnet mit Foto­apparat und Kaffeekanne. Natürlich war dies auch genau die Zeit, um nach Fege­stellen Ausschau zu halten, Speicherkar­ten aus denjenigen Wildkameras auszu­lesen, die an Salzlecksteinen standen, und zudem sich über den allerkleinsten grünen Flaum auf dem Wildacker zu freuen.

Alles idyllisch im Waldrevier? Mitnichten! Der Borkenkäferfraß, vom vergangenen tro­ckenen Jahr und einem „Nichtwinter“ weiter befeuert, geht ungebremst weiter. Dazu addiert sich ein immer noch von di­versen Stürmen gebeutelter Holzmarkt. Die Förster und Forstwirte in unserer Re­gion können eigentlich, wenn sie vorne alle befallenen Bäume abgetrieben haben, hinten wieder anfangen. So sehen wir dann seit Wochen nicht nur einen Harvester- bzw. Forwarder-Einsatz, sondern bereits mehrere. Dazu addiert sich der Abfuhrbetrieb durch die LKWs. Die Holzkäufer sind angehalten, zügig die befallenen Bäume an den Wegrändern aufzuladen und abzufahren, stellen doch andernfalls die Holzpolter ideale Brutstätten für weitere Käfer-Generationen dar.



Und was war das für ein Aufruhr in der Hegeringversammlung, wo die erneute Auszeich­nung als „reiterfreundliche Region“ um­gehend zum Niedergang der Rotwildjagd erklärt wurde. Hand aufs Herz: Reiterinnen und Reiter sehen aus dem Sattel zumeist mehr Wild, als wir es je könnten. Der „Störfaktor Reitsport“ wird vielerorts auch gewaltig übertrieben. Sicherlich sind Mondschein-Reiten und der Reitweg über eine Äsungsfläche Störfaktoren,aber die oft zu spürende Feindschaft zwi­schen den Reitersleut‘ und der Jäger­schaft bleibt mir ein Rätsel. 



Dennoch können wir auch hier aktiv wer­den. In unserer Gemeinde galt es kürz­lich, eine Arbeitsgruppe zum Thema neu­es Reitwegenetz zu bilden. Ich habe mich da umgehend gemeldet und sitze nun mittendrin. Schon die erste Sitzung ver­deutlichte: Wir wissen alle viel zu wenig voneinander! Das neue Reitwegenetz um­schlägt nun sensible Bereiche in diversen Revieren. Unser kleiner Ausschuss traf sich mit Revierinhabern, Betreibern von Reitställen usw. Fazit: Viele Brennpunk­te konnten schon jetzt entschärft werden. Und, ja, es wird weiterhin Pferdefreunde geben, die reiten, wann und wo sie wol­len. Tipp: Erfolge auch mal wahrnehmen und sich nicht an Menschen abarbeiten, deren „Natur-und Tierliebe“ vor allen Dingen nur auf sie selbst abzielt. 

Nicht umsonst, dies sind ja nicht die ein­zigen Naturfreunde, sehe ich eine Chan­ce darin, statt immer zu opponieren mit­zumachen, mitzureden und ggf. selber tä­tig zu werden. Erinnern Sie sich noch daran, dass ich in einem der vergange­nen Beiträge schrieb, dass ich es selber war, der die Geocaching-Punkte rund um das Revier gelegt hat? Diverse 
attraktive Stellen in der Natur habe ich mit eben jenen Dosen versehen, die Geo­cacher 
so gerne suchen. So informieren meine Punkte unter anderem über „Fürst Bismarck, 
John Booth und der Grafen Douglasien“, ein kurzer geschichtlicher Abriss über 
den Beginn des Douglasienanbaus in (Nord-)Deutschland (https://www.geocaching.com/geocache/GC55NX2_furst-bismarck-john-booth-der-grafen-douglasien). Diese Dose liegt unter den ältesten und wahrlich monumentalen Douglasien im ganzen Forstamt. 




Diese stehen direkt neben einem viel befahrenen bzw. belaufen Hauptweg. Anderorts wird die „Buchhorst-Allee“ vorgestellt. In deren Verlauf liegen gleich vier (!) Dosen, was die Tour besonders attraktiv macht (https://www.geocaching.com/geocache/GC553QB_buchhorst-allee1). Neben vier verschiedenen Waldbildern finden Interessierte noch Informationen zum Vogelvolk entlang der Strecke. 



Nur zwei Beispiele, die folgende Entwicklung einleiteten: Bis heute dort Ruhe im Revier, wo ich sie mir wün­sche – und Geocacher an anderer Stelle, wo sie ihren Spaß haben ... 

Salz und Suhlen

Gerade muss ich wieder an die zahlreichen Mails, MMS und Whatsapp-Nachrichten denken, die unsereins im Winter 2018/19 erreichten. Haben Sie auch das Bild bzw. die Fotos erhalten, wo Jäger Rothirsche aus dem Schnee ausgruben? Oder die Whatsapp-Nachricht, die sich geradezu viral verbreitete und allein mich von diversen Seiten aus erreichte? Sinngemäß wurde darin die Frage aufgeworfen, ob denn „unsere lieben Freundinnen und Freunde von PETA“ sich derzeit auch ins Gebirge aufmachen würden, um den Wild zu helfen oder ob sie weiterhin, außer zum Hochsitzansägen etc., zu nichts für das Wild Gewinn bringendem in der Lage wären. Wunderbar! 

Derartige Bilder aus Österreich und Bayern sind hier in der Norddeutschen Tiefebene nur schwer zu verstehen. Auch dieser Winter war mal wieder keiner. „Unsere“ Kraniche waren gefühlt allenfalls sechs Wochen nicht zu sehen, überwinternde Waldschnepfen, zu denen Opa noch Lagerschnepfen sagte, fanden sich bei jedem Reviergang und beim Durchgehen als Treiber im Zuge der beiden Drückjagden zuhauf. Es mag sein, dass diverse aus dem Baltikum oder Skandinavien kamen, um hier zu überwintern. Die „gemeine Deutsche Waldschnepfe“ scheint hingegen nirgendwo mehr hin zu ziehen. Anders kann ich mir die Fülle dieser Tiere nicht erklären. Dazu addieren sich Rotmilan-Sichtungen im Dezember und Januar sowie die Fotofallen-Bilder ausgesprochen wohlbeleibter Graugänse auf dem Wildacker. „Unsere“ oder tatsächlich nordische Gastvögel? 

Darauf freue ich mich schon wieder:
"Kranich-Vollversammlung" am Wasserloch


Stillstand herrscht zu keinem Zeitpunkt im Jagdjahr, etwas zu tun gibt es immer. In Waldrevieren äußert sich das im März/April oft in geradezu unfassbarer Geschäftigkeit, was den Bau von Reviereinrichtungen angeht. Schmunzelnd muss man feststellen, dass allerorten hämmernde und sägende Jägerinnen und Jäger so manchen Specht aus der Fassung bringen, der frühlingshaft auf einem Resonanz-Ast trommelt, um sein Revier akustisch abzustecken. Neue Sprossen hüben und reparierte Leitern drüben – was wird derzeit nicht alles Instand gesetzt oder neu errichtet. 

Mein Augenmerk gilt derzeit Suhlen und Salz. Ein Traktor mit Frontlader hilft, Astwerk aus einem Tümpel zu räumen. Wildkameras verdeutlichen uns ferner, dass Salzlecken derzeit alles anzieht, was schwanger und/oder mit Geweih(e)schieben beschäftigt ist. Rot-, Reh- und Schwarzwild waren auf den letzten Speicherkarten meiner Fotofallen grundsätzlich mehrfach drauf. Umgehend sind alle Sulzen frisch beschickt, in zwei Fällen thront nun ein neuer Leckstein auf den Rudimenten der Vorgänger. Egal, dann brauche ich über einen längeren Zeitraum dort nichts mehr auffüllen.


Salz und Suhlen? Salz und Säugen! Während "Mutter"
Mineralien aufnimmt, stärkt sich der Nachwuchs.

Der einzige Ansitz zur Nachtzeit

Die Vorzeichen könnten eigentlich nicht schlechter sein: Nachtjagd ist nicht so meine Jagdzeit, Füchse stehen im Waldrevier nicht unbedingt an erster Stelle meiner Passion und Kälte ertrage ich – lächeln Sie ruhig – auch immer schlechter. Mindestens, wenn ich über längere Zeit still sitzen soll. Dennoch: Die Jagd auf Fuchs, Marderhund und Waschbär oder gar eine urig-“zottelige“ Sau in einer winterlichen Mondnacht hat ihre ganz eigene Poesie – und einmal im Jahr möchte ich es wagen.



Und so reagiert mein Frau, vom Hund ganz zu schweigen, nicht eben wenig überrascht, als ich beginne, Ansitzsack und Thermoskanne zurecht zu legen. Letztere wird mit „Spezialbrühe“ befüllt: Warm gemachte Hühnerbrühe, gekrönt von einem guten Stück Butter! Neben dem Repetierer wandert das alte 8 x 56 Fernglas seit langer Zeit wieder in den Rucksack. Taschenöfen haben ich entzündet und Fusswärmer längst in die Winterstiefel befördert (ich ahne Ihr Mienenspiel an dieser Stelle).

Heute werde ich in der Dämmerung zur so genannten „Inventur-Kanzel“ gehen. Sie verdankt ihren Namen durch ihre Lage in einem raumen Altholz und ihrer Positionierung auf der höhst gelegenen Stelle dort drin. So regiert die „Inventurkanzel“ über eine ganze forstliche Abteilung. Da lange winterliche Ansitze (s.o.) nicht auf meinem Programm zu stehen pflegen und wir, meine Mitjäger und ich, jedwede Monumental-Bauten im Revier vermeiden, verfügen wir nur über Drückjagdböcke oder niedrige, halb offene Kanzeln. Nun fällt mir dieser Umstand vor die noch warmen Füße, aber ich genieße das Sitzen schon lange, bevor sich Tages- und Mondlicht abwechseln.

Ein kleines Rotwildrudel zog, kaum dass ich meinen Posten bezogen hatte, auf unter hundert Metern vertraut durch. Wo waren die im Dezember? Hat das Leittier wieder einmal den Jagdzeiten-Kalender in der Tasche? Mitnichten: „Tante Trude“ war auch im Zuge der zweiten Drückjagd im Treiben. Zudem tauchte sie mehrfach in den Vorwochen auf. Sie hat es geschafft, über mehre Monate ihr kleines Rudel bei uns unbeschossen durchzubringen. Mir bleibt nur, ihr zu Ehren, den Hut zu ziehen, als das Rudel nach und nach ausser Sicht gerät.

Nun herrscht nur noch Mondlicht vor und der ganze Wald ist wie in Watte gepackt. Es ist absolut nichts mehr zu hören – keine Autos, kein Flugzeug, kein Windzug, nichts. Die Decke, die ich auch über die Beine gelegt habe, dient mir jetzt dazu, das Aufschrauben der Thermoskanne abzudämpfen. Wie störend dieses Geräusch nun erscheint, das im Alltag kaum wahrnehmbar ist! Oder, verehrte männliche Vertreter der Jagdzunft, kennen Sie das auch: Wie impertinent laut man(n) am Kragen kratzende Barthaare empfindet? Ganz zu schweigen vom Feuerzeug, das nun einmal in Betrieb gesetzt werden muss, will man wie ich nicht auf die die Hände „wärmende“ Zigarette verzichten. Auch dessen Anzünden findet unter der Decke statt.

Immerhin die geringe Bauhöhe meiner Reviereinrichtungen möchte ich nutzen und bediene mich meines Mäusepfeifchens. Dank niedriger Sitzposition wird Reinecke wohl nicht misstrauisch, ganz im Gegensatz zur Reizjagd auf großer Höhe. Sicherlich wäre es sinnvoll, auch die Hasenklage einzusetzen, doch die erscheint mir derartig laut, dass ich sie schon wieder als störend empfinde. Passionierte Fuchsprofis mögen hier mit den Augen rollen, aber es darf heute Nacht ein Winterfuchs sein, muss aber nicht.

Drei Stunden sitze ich nun schon und tauche immer mehr in dieses Gesamtbild des unfassbar stillen Winterwaldes bzw. dieser Mondnacht ein. Letzterer verschwindet nach und nach hinter einer stetig dickeren Wolkendecke. Ich beschließe, abzubaumen. Nicht etwa, weil mir kalt wäre, sondern weil ich mir inzwischen nicht mehr vorstellen kann, in dieses traumhafte Szenario noch „hineinzuschießen“.

Und so empfinde ich es auf dem Weg zurück zum Auto gar als Segen, dass schlussendlich weder Fuchs & Co. noch Wildsau erschien – sein Sie diesbezüglich gnädig mit mir. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass dieser Ansitz der einzige zur Nachtzeit im Jagdjahr 2018/19 war ...