Die Welt um uns verändert sich. Verändern wir uns mit?

Ein Jagdaufseher-Seminar beginnt, neun Teilnehmer sind zugegen und, wie die Referenten in der folgenden Woche feststellen, somit aufaddierte Jagdjahre deutlich im dreistelligen Bereich. Nieder- wie Hochwildreviere sind ebenso vertreten, wie Feld- und Waldjäger. Nach der obligatorischen Vorstellungsrunde wird zum Einstieg immer ein Test geschrieben. Dieser ist in der Regel deckungsgleich mit dem Fragebogen „Jagdrecht“, den der letzte Jungjägerkurs in seiner Prüfung bewältigen musste. Keinesfalls (!) sollen die Probanden hier vorgeführt werden, aber dieser Test „ist nun mal eine der Hürden, die auch unsere Jungjägerinnen und Jungjäger kürzlich stellen mussten. Hier ist ein wertfreier Vergleich zu den praktizierenden Kursteilnehmer statthaft“, wie es der Lehrgangsleiter des Jagdaufseherkurses formulierte. Auch dieser Lehrgang liegt bezüglich mit seinen Noten dann auf dem Niveau, das nahezu alle Jagdaufsehrkurse vorher abgebildet haben: Mehrfach Note Vier und Fünf, eine Zwei oder gar eine Eins kommen nicht vor. Tenor: „Längst vergessen“, Änderungen waren mir nicht bekannt“, "wer hat sich denn solche praxisfernen Fragen ausgedacht", ... 

Bilden wir uns ausreichend fort? Sind wir immer noch auf der Höhe der Zeit? Beispielhaft ist da der Blick ins Feldrevier und auf die dort wirtschaftenden Agronomen. Was hat sich (nur) in den letzten zwei-drei Jahrzehnten alles um mich als Feldjäger herum verändert? Nur einige wenige Beispiele: Veränderte Saatgut-Mischungen (die EU lässt grüßen) bei Zwischenfrüchten, längst andere (Welt-)Märkte und (Welt-)Marktpreise, mehr große Lohnunternehmen, Höfe-Sterben, vermehrt Bio-Landwirtschaft hüben, „wachse oder weiche“ drüben, die rasante Zunahme der Maisanbau-Fläche – und eine galoppierende Veränderung im Bereich landwirtschaftlicher Hochleistungstechnik. 

Weiß ich genug darüber, um mich als Jäger innerhalb eines Feldreviers mit den Jagdgenossen/Bauern überhaupt noch unterhalten zu können? 


Ein kleiner Ausschnitt eines Kürbisfeldes irgendwo im Nordosten Niedersachsens.
Wie denken Hase und Huhn darüber? Und: Ich liebe Kürbis-Suppe! Was nun/tun?

Szenenwechsel: Was wissen Waldjäger konkret um die gegenwärtige Situation der Forstpartie?

Über die aktuelle Borkenkäfer-Kalamität, von Anbauversuchen mit Ess-Kastanien, über Frühjahrstrockenheiten und längst leere Wassergräben. Spricht man derzeit mit FörsterInnen, verstehen viele von uns Jägerinnen und Jägern erst jetzt nach und nach, warum in den letzten Monaten geradezu ein Wettlauf der Försterinnen und Förster, z.B. gegen die Borkenkäfer, stattgefunden hat – und immer noch stattfindet. Sie hatten lediglich häufigen Harvester-Einsatz beobachtet und sich manchen Morgen darüber geärgert, dass die großen Laster der Holzabfuhr-Unternehmen (teilweise im Morgengrauen) ihnen scheinbar den Frühansitz verdarben. Die Dringlichkeit, mit der die eingeschlagenen Fichtenstämme aus dem Wald geholt werden mussten, erschloß sich ihnen bis dahin auch nicht. Zudem hatten sie keinerlei Vorstellung über den (mindestens regionalen) Verfall der Holzpreise. 


Borkenkäfer greifen Fichten an, eine ganze Fraßgesellschaft befällt Eichen,
Douglasien vertrocknen, Kiefern "aufgefressen" ...

Ein weiterer Punkt: In Revier tauch(t)en schon mehrfach große Holzhacker auf. Diese Maschinen zerkleinerten vor Ort nicht nur das Holz, sondern sorgten dabei auch für reichlich Lärm. Hintergrund: Mancherorts setzt man nun vermehrt auf die Holzschnitzel, da diese von Holz-Pellet-Herstellern sowie von Gartenbaubetrieben nachgefragt werden. 

Problemlos kann sich auch im Bereich Waldbau jede(r) Interessierte fortbilden, Dossiers lesen oder gelegentlich aktuelle Fachbeiträge lesen. Ich nutze dafür unter anderem gerne die Seite „Waldwissen – Informationen aus der Forstpraxis“ (https://www.waldwissen.net).

Zehn Euro zahle ich in diesem Moment gerne freiwillig in das berühmte Phrasenschwein: „Die Welt um uns verändert sich ständig!“ Verändern wir uns mit? Selbst wenn wir auf die uns lieb gewordene Tradition(en) und Kontinuität setzen: Abkoppeln von den Veränderungen können wir uns nicht. Möglicherweise wird uns in Feld- und Waldrevieren – was wir nicht hoffen wollen – ein Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest vor diverse Neuregelungen / Anordnungen / Anforderungen stellen – ob wir wollen oder nicht. Auch unabhängig vom zuletzt genannten Szenario, ist es meines Erachten mindestens unsere Aufgabe, unser Umfeld und deren Zwänge zu kennen! 

Muss ich das alles wissen? 

Ich meine: Je mehr, je besser, bilden wir doch mit Agronomen und Waldbesitzern eine Einheit auf gleicher Grundfläche, jeder mit seinen Zielen und Wünschen. Immer häufiger kollidieren diese – umso wichtiger ist es daher, sich zu informieren und auf dem neuesten Stand zu bleiben. Schon deshalb werde ich auch die kleine land- und forstwirtschaftliche Gewerbeschau besuchen, die in unserem Landkreis stattfindet.

Mein Fazit: Ich „muss“ sicherlich nicht „alles“ wissen, aber über je mehr Informationen ich verfüge, umso besser kann ich meine Jagd im jeweiligen Umfeld verorten – besser noch: entsprechend ausrichten. Und so war der Aufruf einer Forstfach-Seite im Internet oder der o.g. Besuch der Gewerbeschau hinsichtlich meiner Jagdpraxis schon häufig weitaus zielführender, als die Lektüre so mancher Jagdzeitschrift …