Nur wer Wasser hat, hat Wild!

Lange schon beobachte ich – nicht nur in unserem Waldrevier – diverse Veränderungen durch die Trockenheit der vergangenen drei Jahre. Ein Einzelfall? Mitnichten, wie Recherchen in verschiedenen Revieren und Regionen, bei Landwirten und der Feuerwehr ergaben. Was schilderten Revierinhaberinnen und -inhaber, was wissen Meteorologen zu berichten? Wie können, ja, müssen wir in unseren Revieren darauf reagieren, wenn mancherorts schon ein „Verteilungskampf um das Wasser“ prognostiziert wird? Und ein Ende der Dürre-Probleme scheint nicht in Sicht ...



Der Versuch eines Überblicks

Als Julia Klöckner die Waldzustandserhebung Ihres Ministeriums vorstellte, verdeutlichte der Bericht, dass die vergangenen drei Dürrejahre, der massive Borkenkäferbefall, Stürme und vermehrte Waldbrände in den Wäldern langfristig massive Schäden angerichtet haben. Die aktuellen Ergebnisse „gehören zu den schlechtesten seit Beginn der Erhebungen im Jahr 1984, die meisten Bäumen haben lichte Kronen.“ Auch der vielerorts laufende Waldumbau gestaltet sich schwierig, denn insbesondere in den ersten Jahren einer Kultur kann Wassermangel zu hohen Ausfällen führen. 

Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) war da schon weiter: Bereits im Sommer 2020 veröffentlichte sie eine lesenswerte Studie zu Dürre im Alpenraum. Tenor u.a.: „Trockene Jahre treten gehäuft auf“ und der Umstand, dass Proble bei Landwirtschaft und Grundwasser zunehmen werden.

Und im Bereich der Landwirtschaft? Im Futterbau waren die zurückliegenden Jahre besonders schwierig – die Wetterextreme nehmen spürbar zu“, beschrieb ein Landwirtschaftsfunktionär die Lage. Ein Kreislandwirt fasste die Situation so zusammen: „Wer zukünftig keine Beregnung einsetzt, wird häufig so limitiert sein, dass viele Betriebe nicht mehr auskömmlich wirtschaften können.“ In diesem Zusammenhang wies ein anderer Agronom darauf hin, dass „zunehmend Beregnungsbrunnen trocken fallen.“ Er rechne mit „einem Verteilungskampf um die Ressource Wasser – und dies nicht erst, seitdem in seiner Region selbst Vieh-Weiden und Grünland beregnet werden müssten.“ 

Das Austrocknen von Brunnen, die jahrelang funktioniert haben, ist ein Fakt, den auch Einsatzkräfte der Feuerwehren beobachteten. Nicht umsonst werden vor dem Hintergrund steigender Waldbrand-Gefahren immer mehr Zisternen oder Kessel verbaut, „um wenigstens so noch ein paar tausend Liter Löschwasser in der Fläche gesichert zur Verfügung zu haben“, wie ein Gemeindebrandmeister unlängst anmerkte. Vielfach werden die Wehren mit immer mehr und immer größeren Tanklösch-Fahrzeugen ausgestattet, „da wir für Wald- oder Flächenbrände immer öfter unser Wasser mitbringen müssen.“ Ein weiterer Hintergrund: Die Wasserentnahme aus offenen Gewässern, z.B. Bachläufen oder Teichen, ist an vielen Stellen nicht mehr gesichert, da diese kein oder nur noch zu wenig Wasser führen!

Dass anhaltende Trockenheit kein regionales Problem darstellt, verdeutlichen weitere Meldungen: Der Deutsche Wetterdienst berichtete, dass „die Monate Januar bis März das wärmste erste Quartal seit 100 Jahren war. Das dritte Jahr in Folge drohen jetzt in weiten Gebieten Europas Dürren und Wasserknappheit.“ Und der Copernicus Climate Change Service ergänzt, dass sich die Trockenperiode über den gesamten Kontinent ausbreitet. „Große Flüsse wie die Donau führen schon zu Beginn des Jahres weniger Wasser als üblich.“ Auch die Daten der NASA verdeutlichen ein Dürre-Problem in weiten Teilen Mitteleuropas. Im August 2022 die ergänzende Meldung: "Deutschland hat eine Wassermenge verloren, die der des Bodensees entspricht". Besonders betroffen seien u.a. die Regionen um Lüneburg und Nordost-Niedersachsen.  



Ein Blick in verschiedene Reviere

Das Revier, dass die Familie X nun schon in der dritten Generation bejagt, war immer eines der besten Schwarzwildreviere. Ein Erlenbruch, ein Bachlauf und Dickungskomplexe ließen die Schwarzkittel dauerhaft in diesem gemischten Feld-Waldrevier verbleiben. Inzwischen kommen Wildschweine – wenn überhaupt – nur noch sporadisch als Wechselwild vor. Der Bachlauf führt nur noch im Winter Wasser, der Erlenbruch ist trocken gefallen. 

Im reinen Waldrevier von Jägerin XY war das Rotwild stets Standwild. Ein Abzugsgraben, der aus der Feldmark kommend das Revier durchlief, ist inzwischen ausgetrocknet. „Niemand“, so die Revierinhaberin, „kann sich daran erinnern, dass dieser Graben jemals kein Wasser führte.“ Mehr noch: „Als Kinder haben wir dort gebadet oder sind – auf Baumstämmen sitzend – den Graben entlang gepaddelt.“ Inzwischen stellt sich die Lage bezüglich des Rotwildes genau so dar, wie die des Schwarzwildes im Revier der Familie X: Die Wildart kommt kaum oder nur noch tageweise vor. „Noch bevor die Suhlen und der Graben kein Wasser mehr beinhalteten, waren bereits die Äsungsstreifen verdorrt. Selbst das Rehwild-Vorkommen ging signifikant zurück“, beschreibt die Jägerin die aktuelle Lage.

Auch Profis müssen teilweise immer weitere Wege gehen, wie die Schilderung eines Berufsjägers verdeutlicht. Er betreut ein Feld- bzw. Niederwildrevier und führt aus: „Hase, Fasan und Rebhuhn können ihren Wasserbedarf i.d.R. über die grünen Pflanzenteile etc. decken. Oberirdisch erreichbares Wasser ist daher nur bedingt nötig. Bis dato reichten auch kleine Wasserstellen, die beispielsweise von Rehwild und Fasanen frequentiert wurden. Inzwischen gibt es kein Wasser mehr und grüne Pflanzenteile sind Mangelware.“ Die Folge: Das ehedem wildreiche Revier ist zwar nicht wildleer, aber die Besätze deutlich zurückgegangen. Zudem konnte der Berufsjäger einen weiteren Trend ausmachen: Neben dem Abwandern diverse Tiere, sind die verbliebenen vermehrt dazu übergegangen, ihren Flüssigkeitsbedarf anderweitig zu decken: Steigende Wildschäden, z.B. an Rüben, waren die Folge! Auch in diesem Revier verdorrten Äsungsstreifen, an anderer Stelle gingen nachgepflanzte Sträucher und Obstbäume ein, „da wir gar nicht so viel Wasser dorthin fahren konnten, wie die Hecken oder die Obstremise an Bedarf hatten.“ 

Auch andere machten vergleichbare Beobachtungen, wie eine Revierinhaberin, die meint, „einen immer größeren Aktionsradius diverse Tierarten“ beobachtet zu haben. Sie führt das „auf fehlende Äsung sowie die Suche nach Wasser“ zurück“ und ergänzt: „Die letzten drei Frühjahre waren insbesondere hinsichtlich der Hasenbesätze ideal. Wir hatten keine Verluste durch Kälte und Nässe. Aber zur Jahresmitte, dies erlebe ich zum ersten Mal, scheinen Fasanen und Hasen abzuwandern.“



Auswirkungen auf die Jagdpraxis

Besonders deutlich wurde das veränderte Verhalten so mancher Art, wenn man Berichte einiger Landwirte oder Angler mit einbezieht. Viele Landwirte wussten zu berichten, dass sich Tiere unterschiedlichster Arten umgehend dort einfanden, wo eine Beregnung lief! Tenor: Wer z.B. Sauen jagen will, braucht sich nur neben die Beregnung stellen. Von regelrechtem Genuss seitens einiger Rehe oder verschiedener Vogelarten war ebenso die Rede, die sich gezielt unter den künstlichen Regen stellten oder anschließend aus den Pfützen tranken. Vom Bock bis zur Wildbiene nahmen alle das kühle Nass umgehend an.

Ein passionierter Angler, der regelmäßig auf Buhnenköpfen der Elbe seiner Fischweid nachgeht, erlebte schon mehrmals, dass sich Rotten „auf benachbarten Buhnen einfanden und regelrecht im Strom zu baden und ausgiebig zu trinken scheinen.“ Auch kleinere Rotwildrudel wurden am Elbstrand schon gesehen oder mehrfach gefährtet – ein bis dato unvorstellbarer Vorgang.

Betroffen sind demnach nicht nur Schalenwildarten, sondern auch das Niederwild, Insekten usw. Ob Rotachter oder Überläuferbache, ob Häsin oder Fasanenhahn: Sie alle sitzen in vielen Regionen derzeit auf dem Trockenen. Immer häufiger hört man von den oben beschriebenen, z.T. radikalen Verschiebungen der Einstände beziehungsweise Lebensräume. Wie können/müssen wir darauf reagieren?








Unterschiedlichste Tierarten nutzen selbst am Tag
 inzwischen "Suhlen" als Trinkwasser-Reservoir –
hier eine kleine Auswahl.


Ehedem entschieden in erster Linie Ruhe, Äsungsangebot und geeignete Einstände/Biotope (mit) über das Vorhandensein diverser Arten. Beleuchtet man hingegen die Verhältnisse in den o.g. Revieren, so scheinen diese und andere Parameter hinter dem Vorhandensein von Wasser zurückzutreten. Mindestens für weite Teile Norddeutschlands scheint das Credo der kommenden Jahre zu sein: Nur wer das Wasser hat, hat das Wild! Darin einbezogen ist nicht nur das oberirdisch wie auch immer vorkommende Wasser, sondern die mehrmonatige Verfügbarkeit tatsächlich nahrhafter, grüner Pflanzen/Äsung. 


Im ersten Schritt mehr Wasser 

Wie groß die Bedeutung von Wasser bzw. Kühlung sein kann, verdeutlicht ein Projekt eines befreundeten Jägers, der im Frühjahr 2020 sein Waldrevier hinsichtlich neuer Tümpel und Suhlen neu aufstellte. Gleich an vier Stellen wurden großzügige, mit Lehm ausgekleidete Suhlen/Wasserlöcher geschaffen. War der schmal geschnittene Beritt ehedem eher ein Durchzugskorridor für Rot- und Schwarzwild, nahmen beide Arten umgehend alle vier Stellen dauerhaft an. 



Kaum angelegt, schon angenommen!

Die Rudel und Rotten verweilten nun länger im Revier oder erwählten den Beritt nun zum Einstand. Wildkameras belegten: Teilweise über Stunden ruhten die Tiere im/am Wasser. Dies mag ein erster Wink sein, wie wir reagieren könnten, haben sich doch alle anderen Umstände im beschriebenen Revier nicht verändert!

Künstlich angelegte Tränken und Wasserstellen – und sein sie noch so klein – haben nicht nur für viele Vogel- und Insektenarten eine große Bedeutung. O.g. Berufsjäger hat diese Hilfen überall im Revier verteilt und fährt sie bei Bedarf mit dem Pickup und Wasserfass an. Zudem sind längst Fasanenschütten mit einer Dachrinne und Schale darunter versehen, ebenso wurden kleine Stichgräben angelegt, die von asphaltierten, landwirtschaftlichen Wirtschaftswegen in den Graben daneben führen. Wenn es denn regnet, kann so Wasser aufgefangen werden. 

Nach Rücksprache mit der Besitzerin, bekam auch der Offenstall auf der Pferdeweide eine Dachrinne und ein flaches Behältnis zum Sichern des Regenwassers. Diese Einrichtung hat sich inzwischen u.a. bei Rehen und Fasanen herumgesprochen, die sich, wie so viele andere auch, nicht an den Pferden stören und trotzdem zum Schöpfen erscheinen. Weitere Feldscheunen und Unterstände sehen derweil einer vergleichbaren Nachrüstung entgegen. 


Äsung – Hungerkünstler nutzen

Wo Schatten ist, wächst so manches Getreide/Feldfrucht schlechter, als an voll besonnten Stellen. Diese Regel gilt natürlich noch immer, wird aber hinsichtlich neuer Äsungsstreifen inzwischen wohlweisslich immer öfter ignoriert. Ja, der Zuwachs ist geringer, aber immerhin bleiben die Pflanzen länger grün und nahrhaft. Also lieber weniger im Angebot, als ein vertrockneter Wildacker? Mindestens ein „Jein“ dafür – und so finden sich vermehrt Äsungsstreifen als Wildäcker in Wald- und Feldrevieren. Zudem wird so, vergleichbar mit der mosaikartigen Verteilung der Tränken und Wasserstellen, vermieden, dass Wild sich irgendwo massiert. 

Auch die Zusammensetzung der Wildackermischung gilt es inzwischen zu überdenken. Wer auf einige Hungerkünstler setzt, erhöht die Chancen, Wild länger Äsung anbieten zu können. In meinem Revier bilden Buchweizen, Schwarzhafer und Weißklee den Kern der Mischungen. Außerdem habe ich einen Schwenk von ehedem nur Wildäckern zu mehr Wildwiesen vollzogen. Eine entsprechende Klee-Gras-Mischung hält nachweislich länger durch, als hochgelobte Pflanzenarten, die nicht einmal mehr die Jahresmitte erleben, da sie vertrocknet sind. Und das kennen wir auch vom Rasen im eigenen Garten: Der Rasen wird wieder grün, nachdem es regnete, die Erholung tritt zudem erstaunlich schnell ein. Da waren zu dem Zeitpunkt schon Wildackerflächen längst irreparabel verloren.


Auch der Waldbesitz ist in Bedrängnis

Dies sind nur einige wenige Wege, auf die veränderte Situation zu reagieren. Da zu befürchten ist, dass uns Dürre, Insekten-Kalamitäten und Orkane vermehrt in den kommenden Jahren begleiten, werden noch viele Herausforderungen auf uns zu kommen. Diese haben z.T. nur indirekt oder in zweiter Instanz mit dem Klimawandel zu tun. 

Wenn wir noch einmal zum Anfang dieses Beitrages springen, erkennen wir das Spannungsfeld von Waldumbau in Zeiten des Klimawandels versus Verbiss- und/oder Schälschäden durch z.B. Reh- und Rotwild. Da zudem Fördermittel für Forstgatter immer öfter gemindert oder abgeschafft werden, wird der Waldbesitz auf angepasste Wildbestände drängen (müssen). Viel Spielraum für Toleranzen hat der Waldbesitz – und sei er noch so wild- und jagdfreundlich – nicht mehr. Auch auf diesem Wege kommen also u.U. größere Aufgaben auf uns zu.


Kein Ende der Dürre in Sicht – einige lohnende Links: 

Studie zu Dürre im Alpenraum, www.zamg.ac.at

Bundesministerin legt Waldzustandserhebung 2020 vor: www.bmel.de

Dürresommer erwartet“, www.wienerzeitung.at

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, „Dürremonitor Deutschland“: www.ufz.de

Umwelt Bundesamt, „Trockenheit in Deutschland – Fragen und Antworten“:, www.umweltbundesamt.de

NASA Earth Observatory, „Signs of Drought in European Groundwater“: https://earthobservatory.nasa.gov/

Deutschland trocknet aus: In 20 Jahren einmal der Bodensee

https://www.agrarheute.com/management/betriebsfuehrung/deutschland-trocknet-20-jahren-einmal-bodensee-591637