Religionskriege um die Hunde

Der Herbst steckt insbesondere beim Schalenwild voller Wandlungen. Gleich mehrere Brunften beginnen oder enden, das Wild ordnet seine Verbände neu. Hier und da wechseln schon Rudel in die Wintereinstände oder ziehen Hirsche endgültig aus den Brunftgebieten wieder fort. Ganz „nebenbei“ ist unser Jagdkalender prall gefüllt – alles Schalenwild hat Jagdzeit. Ausfluss dieser jagdlichen Fülle ist für mich mein erster Drückjagd-Termin des Jahres. Mein Bayerischer Gebirgsschweisshund und ich (Reihenfolge beachten, stand auch so verschmitzt in der Einladung) helfen bei einem Landesförster aus. 

Viele Gedanken haben sich der Mann und die Leitung des Forstamtes im Vorfeld der Jagd über die eingesetzten Vierbeiner gemacht, die während und danach tätig werden sollen. Ihr Credo: „Der Einsatz von Stöberhunden bei den Drückjagden, sowohl als geführte als auch vom Stand geschnallte Hunde, ist ein sehr wichtiger Bestandteil der Jagdstrategie und -gestaltung. Durchgehenden Hundeführern, die unter Verzicht auf eigene Chancen zur Erlegung von Wild der Jagdgemeinschaft und dem gemeinschaftlichen Erfolg während einer Drückjagd dienen, kommt eine besonders hohe Wertschätzung zu.“

Dazu addieren sich – gelegentlich auch traurig-tragische – Erfahrungen aus den letzten Jahren: Schlecht oder nahezu nicht gekennzeichnete Hunde, waidlaute Vierbeiner, solche, die grundsätzlich nach ca. 15 – 20 Minuten das zu bejagende Revier verlassen hatten, im Zuge der Jagd irgendwo weit abseits unterwegs waren – und stets kilometerweit entfernt abends wieder eingesammelt werden mussten.

Mein Hund ist der Beste

Hier hielten Forstamt und die Revierförster in den letzten Jahren eine strenge Auslese. Die Folgen waren mannigfaltig und gelegentlich nicht vorhersehbar! Meuteführerin X nahm zähneknirschend hin, dass sie von ihren drei Hunden einen ganz „speziellen Vertreter“ zukünftig nicht mehr mitbringen durfte. Hundeführer Y („Was bilden Sie sich ein, ich habe hier schon unter ihrem Vorgänger gejagt“) nahm die Ablehnung eines seiner Jagdhunde auch sehr persönlich. Erst eine zweite, sehr direkte Ansprache führte dazu, dass auch er einen seiner vierläufigen (Nicht-)Jagdhelfer in Zukunft daheim belässt. 

Kurz: Es gehört auch eine Menge Mut dazu, solche Ansprachen zu tätigen – und sie dann, auch langjährigen Helfern gegenüber, durchzusetzen! Mehr noch: Wer untaugliche Hunde aussortiert, trägt meines Erachtens nicht nur zum Jagderfolg bei, sondern – und dies ist weitaus wichtiger – zum Tierschutz (der Waidgerechtigkeit). 

Dass wir alle eng mit unseren Hunde verbunden sind und deren Arbeit schätzen,
ist doch selbstverständlich. Mit jedem Jagderfolg wird diese Wertschätzung größer.

Foto: Jürgen Hollweg 

Besonders traurig waren für den ein oder anderen Revierbeamten aber der Umstand, dass gelegentlich langjährige Freundschaften zerbrachen, da die Hundeführer die Ablehnung ihrer Vierbeiner gar nicht wegstecken konnten. Aber dass diverse Rüdemänner Kritik an ihren Hunden nicht verdauen, überrascht nicht. Zu viele empfinden dies gleich als kompletten Gesichtsverlust. Wer in der Vergangenheit die Religionskriege um Rassen, Eignungen oder einzelne Vierbeiner mit anhören musste, ahnte vielleicht schon, wie Rüdemann XYZ auf das neue Regelwerk reagieren würde. Dass er allerdings ca. 15jähriges  gemeinsames Jagen mit dem Zuschlagen der Autotür und sofortiger Abreise beendete, erschütterte dann nicht nur den Förster. 

Verdreckte Weste schon zur Saisonbeginn

Und selbst wenn der Vierbeiner gut geeignet ist: Was nützt es, wenn sich Rüdemann ABC über 2 -3 Jahre nicht in der Lage sah, seinen (hervorragenden!) Hund hinreichend kenntlich zu machen? Auch er nimmt inzwischen nicht mehr an den Jagden teil, in deren Vorfeld seit vergangenem Jahr alle HundeführerInnen ein Merkblatt zugesandt bekommen. Dort finden sich dann auch Sätze wie „Das Tragen einer Hundeschutzweste für Stöberhunde ist Voraussetzung für die Teilnahme an der Jagd.“

Vom Stand geschnallt, versah dieser Vierbeiner – dabei immer wieder Bezug zum Hundeführer nehmend –
erfolgreich seine Arbeit. Die Weste gab Hund, Rüdemann und den Standnachbarn mehr Sicherheit!

Foto: Björn Friedrich

Der schlechten Erfahrungen der letzten Jahre eingedenk, endet dann das Merkblatt mit folgender Formulierung: „Der Schusswaffengebrauch durch Hundeführer im Treiben erfolgt nur im absoluten Notfall an krankem oder an wehrhaftem Wild.“
Während dieser Drückjagd habe ich auf meinem Stand noch einmal kurz das Merkblatt überflogen. Noch während der Jagd reifte der Entschluss, dass auch ich so ein Merkblatt für meine Hundeleute anfertigen werden. Weite Teile der Formulierungen werden ich eins zu eins übernehmen!